Ein Jäger hatte einen sehr guten Bogen aus Ebenholz, mit dem er seine Pfeile sehr weit und sehr sicher schießen konnte. Diesen Bogen schätzte der Jäger über alles. Als er ihn aufmerksam betrachtete, dachte er bei sich: So gut wie ich mit ihm schießen kann, so plump sieht er doch aus.
Er ist vollkommen glatt, man sieht ihm gar nicht an, was für ein großartiger Bogen er ist. Aber das lässt sich ja ändern.
Und so suchte der Jäger den besten Künstler der Stadt auf und bat ihn, Bilder in den Bogen zu schnitzen. Der Künstler betrachtete den Bogen und sagte, das ließe sich wohl machen. Und tatsächlich dauerte es keine sieben Tage, da hatte der Künstler eine ganze Jagd in den Bogen hineingeschnitzt, mit Rehen und Hasen und Jägern, die den Bogen spannten. Der Bogen war wirklich schön anzuschauen.
Der Jäger war überglücklich, bezahlte den Künstler und ging wieder auf die Jagd. „Du hast diese Verzierung wirklich verdient, mein lieber Bogen“, sagte er. Doch als er ihn zu spannen versuchte, zerbrach der Bogen. Durch die Schnitzereien hatte das Holz seine Stärke eingebüßt.
Eine Fabel von Gotthold Ephraim Lessing, die anschaulich macht, dass manche Verbesserungen eine gute Sache ruinieren können. Dies gilt nicht nur für grundsolide Produkte, die durch „Overengineering“ an Gebrauchswert verlieren. Auch gute Mitarbeiter, die ständig angetrieben werden noch besser zu werden können irgendwann zerbrechen wie der kunstvoll geschnitzte Bogen.